In einer Zeit, in der Männer in klösterlichen Skriptorien das Verfassen und Illustrieren von Codices monopolisierten, stellen Nonnenhandschriften eine Besonderheit und ein Zeugnis für die kulturellen Beiträge von Frauen im Mittelalter dar. Vom Jahr 1140 an, dem Gründungsjahr des Stiftes Seckau nahe St. Marein bei Knittelfeld, bestand von 1448 bis 1491 neben dem Augustiner-Chorherren-Kloster auch eine Abtei mit Chorfrauen.
„Diese lateinischen Gebetsbücher umfassen Texte für das gesamte Kirchenjahr“, erläutert Bergner den Inhalt dieser vier Handschriften. Aber was noch interessanter ist: Sie enthalten Notizen und Ergänzungen in deutscher Sprache, was darauf hindeutet, dass sie von den Nonnen aktiv genutzt wurden. Vier besondere Stücke aus Seckau, die sich seit der Aufhebung vieler Klöster durch Kaiser Joseph II. in Graz befinden, sind Teil einer großen Ausstellung im Stift Klosterneuburg. Besonders sind die Illustrationen der Grazer Leihgaben. In einer Zeit, in der viele Menschen nicht lesen konnten, waren sie eine wichtige Möglichkeit, den Inhalt von Texten zu vermitteln. Die Handschriften zeugen zudem von der künstlerischen Begabung der Nonnen. Ins Auge fällt die „Breviarium monialium Seccoviensium“ mit der Grazer Signatur MS 0286. „Auf einem Blatt wird Maria mit dem kleinen Jesus dargestellt. Zu ihren Füßen knien demütig zwei Frauen“, beschreibt die Handschriften-Expertin das Bild. „Eigentlich keine unübliche Darstellung. Nur hier schweben über den Köpfen der Frauen die Namen Chunigund und Richiza.“ Letztere war die zweite Gemahlin von Adalram von Waldeck. Das Paar stiftete das Kloster Seckau und trat in das Konvikt ein.
Kunstvolle Stickereien
Die Blätter der Handschrift bestehen aus Pergament, gefertigt aus Tierhaut. So wie die Natur es will, sind manche dieser Bögen nicht makellos und haben auch stellenweise Löcher. Diese Risse wurden in romanischen Handschriften sehr kunstvoll geschlossen. „Vor allem in Büchern, die von Frauen genutzt wurden, sind einzigartige Stickereien zu finden“, sagt Bergner. Viele dieser Zacken- und Stopf-Stich-Techniken haben sich bis heute erhalten, betont sie.
„Wir Schwestern“ bis Mitte November geöffnet
Die Ausstellung „Wir Schwestern“ im Stift Klosterneuburg stellt die Rolle der Nonnen im Mittelalter heraus, einschließlich ihrer Aufgaben in Liturgie, Seelsorge und Bildung. Es werden Exponate aus anderen österreichischen Klöstern präsentiert, darunter Gebrauchsgegenstände, Kunstwerke und Dokumente, die das tägliche Leben und die vielfältigen Aktivitäten der Nonnen beleuchten. Die Grazer Handschriften leisten dazu einen wertvollen Beitrag.
Weitere Informationen zur Ausstellung auf der Webseite des Stifts Klosterneuburg
Die Handschrift MS 286 aus dem Bestand der Universitätsbibliothek Graz als Digitalisat