Von Corona war noch weit und breit nichts zu sehen, als Antonia Schirgi mit ihrer Dissertation – betreut von Stephan Moebius und Sonja Rinofner-Kreidl – begann. Heute ist das Thema aktueller denn je. Wir wissen, dass eine Videokonferenz ein guter Ersatz sein kann, aber auch Mängel verursacht, weil das Gegenüber nur über den Bildschirm (audiovisuell) wahrgenommen wird. Dabei ist nicht nur die räumliche Entfernung entscheidend.
„Selbst bei Face-to-Face-Begegnungen werden selten alle Sinne beansprucht“, zeigt die Soziologin auf. „Wir verwenden etwa den Geschmacksinn nicht, sprechen in diesem Fall kaum von Distanz.“ Doch wo beginnt sie. Eine Frage, die Antonia Schirgi mithilfe der Philosophie von Maurice Merleau-Ponty (1961 verstorben) zu beantworten suchte. Dessen philosophisch-theoretischen Ansatz fasst die Wissenschaftlerin so zusammen: „Nur wenn die Möglichkeit besteht, alle Sinne einzusetzen sowie der:dem anderen gegenüber angreif- und verletzbar zu sein, dann bin ich ihr:ihm wirklich nahe.“, hält die Forscherin fest, die zugleich Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie ist.
Ihre Schlussfolgerung: Jedes Hindernis einer multisensorischen Wahrnehmung, der Angreifbarkeit und Verletzbarkeit stellt einen Moment der Distanz dar, auch wenn uns die:der Andere räumlich nahe ist. Obwohl wir es mittlerweile aufgrund der Technologie gewohnt sind, in unseren Begegnungen mit weniger Sinnen auszukommen, bleibt das Empfinden, so Antonia Schirgi, dennoch fragil.