Man fährt mit dem Motorrad auf Pilgerfahrt. Der muslimische Schleier wird zum Lifestyle-Objekt. Und so was wie Fankult gab es schon in der griechischen Antike. Es sind viele, oft religiös motivierte Rituale und Aspekte, die unser Leben ausmachen. Die genauen Hintergründe dafür liegen meist im Verborgenen. Warum dem so ist, damit beschäftigen sich NachwuchsforscherInnen eines internationalen Graduiertenkolleg an den Universitäten Graz und Erfurt.
Das 2017 gestartete Programm zu sozio-religiösen Praktiken in Antike und Gegenwart wird ab 2021 um vier Jahre verlängert. Der österreichische Wissenschaftsfonds (FWF) und die deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördern die Zusammenarbeit mit insgesamt 4,1 Millionen Euro.
Die disziplinenübergreifende Kooperation von AltertumswissenschafterInnen, ReligionswissenschafterInnen, TheologInnen, SoziologInnen, MusikwissenschaftlerInnen und HistorikerInnen soll Ergebnisse liefern, die das Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen erklären und erleichtern sollen. Die Anzahl der derzeit 22 DoktorandInnen an beiden Standorten kann dank der Verlängerung um 18 weitere aufgestockt werden. Zusätzlich finanzieren beide Universitäten bis zu elf Stellen.
Das „nahe Fremde“
„Resonante Weltbeziehungen in sozio-religiösen Praktiken in Antike und Gegenwart“ lautet der vollständige Titel des Graduiertenkollegs. Althistoriker Wolfgang Spickermann, Sprecher des Doktoratsprogramms an der Universität Graz, erklärt: „Unsere resonanten Weltbeziehungen, also die Art, wie wir auf unser Umfeld reagieren, sagt viel über unsere Kultur aus.“
Der Vergleich von Gestern und Heute solle dazu beitragen, aktuelle Praktiken aus der Geschichte heraus zu verstehen, und helfen, seltsam anmutende Rituale der vergangenen Zeit zu rekonstruieren.
Spickermann begründet: „Die Kommunikation von Altertum und Moderne ist gerade deshalb fruchtbar, da es sich bei der mediterranen Antike um das für uns ,nahe Fremde` handelt – ein Kulturraum, der mit unserem zum großen Teil identisch ist. Die zu untersuchenden historischen Prozesse können als abgeschlossen betrachtet und damit in ihrer Entwicklung verfolgt werden.“