„Dass der ESC seit fast 70 Jahren ununterbrochen veranstaltet wird, macht ihn zu einem popkulturellen Archiv, das einzigartig ist“, sagt Musikologin Saskia Jaszoltowski. „Es zeigt historische, soziologische, musikalische, technologische Entwicklungen, die in den letzten 70 Jahren vonstatten gingen. Aus meiner Sicht ist es auch interessant zu schauen, was andere Länder in Europa und darüber hinaus an Musik kreieren und wie sie Stimmungen und Debatten in ihre Performances integrieren.“
Aber nicht nur für die Musikwissenschaft ist der Wettbewerb interessant. Friedensforscher Maximilian Lakitsch beschreibt ihn aus seiner Disziplin: „Der Eurovision Song Contest ist in vielerlei Hinsicht von großer Relevanz für die Thematik des Friedens. Zum einen steht die Veranstaltung im Zeichen des gemeinsamen und verbindenden musikalischen Zusammenkommens, wo der Wettstreit oftmals weniger wichtig als die immer wieder selbstironische und schrille Performance ist. Gleichzeitig präsentiert sich dabei aber auch die LGBTQIA+-Community als integraler Teil eines toleranten und progressiven Europas.“
Laut Lakitsch sollte der ESC aber auch kritisch hinterfragt werden. „Wer gehört zu Europa und wer und warum nicht? Welche politischen und sozialen Repressalien verbergen sich unter der glitzernden Oberfläche der Show, wie etwa in Aserbaidschan oder Israel? Und was bedeutet der Ausschluss eines Landes wie Russlands vom Wettbewerb, wenn er vorrangig Menschen betrifft, die ohnehin nicht viel vom nationalen Regime halten? So ist der Eurovision Song Contest eine eigentlich unpolitische Veranstaltung, die aber eine enorme politische Relevanz hat.“
Mehr zur Forschung von Saskia Jaszoltowski gibt es in ihren Fachbeiträgen Alternative Identitäten und popkulturelle Integration auf der Bühne des Eurovision Song Contest und Über Verbrauch von Trends in der Popmusik – Der Eurovision Song Contest wird 60.