„Es ist ein Projekt aus Zürich, das hierzulande Beispiel machen könnte“, schildert Martina Bär. Als die Pandemie Sexarbeiter:innen arbeitslos machte, sprang der Verein „incontro“ rund um Ordensschwester Ariane Stocklin und Pfarrer Karl Wolf in die Bresche. Gemeinsam mit Freiwilligen haben sie begonnen, Prostituierte mit Mahlzeiten, Lebensmitteln, aber auch mit Gesprächen, Beratungen und konkreter Hilfe beim Ausstieg aus dem Milieu zu unterstützen. Neben Aufenthaltsräumen und einem Café sorgt eine Kapelle für Rückzugsmöglichkeiten.
Stigmatisierte Frauen
„Diese Initiative hat auf die Lage dieser stigmatisierten Frauen aufmerksam gemacht, bei der Menschenhandel eine große Rolle spielt“, berichtet die Theologin. „Es zeigte sich, viele wollten aus dieser Situation raus.“
Menschen, die mit der Amtskirche oft nichts mehr am Hut hatten, haben in dieser Initiative die Botschaft Jesu verwirklicht gesehen und sich in diesem Projekt als freiwillige Helfer:innen engagiert. „So sollte Kirche sein", betont Bär. Mittlerweile sorgt das soziale Engagement des Vereins für enormes Echo in den Medien über die Zürcher Grenzen hinaus und trägt zur Enttabuisierung von Prostitution bei – in der Gesellschaft und in der katholischen Kirche, ist die Wissenschaftlerin überzeugt.
„Kirche muss empathisch auf marginalisierte Menschen zugehen und sie in ihrer Lebenswelt abholen“, beschreibt Martina Bär den befreiungstheologischen Ansatz, der dieser Aktivität zugrunde liegt.
Sex, Gender und Religion
Das Schweizer Projekt wird Bär gemeinsam mit Ariane und Pfarrer Wolf im Rahmen von „Religion am Donnerstag“ am 16. Mai 2024 an der Uni Graz vorstellen.
Die Vortragsreihe unter dem Titel „Sex, Gender und Religion“ widmet sich ab 14. März das ganze Sommersemester hindurch dem Fakultätsschwerpunkt Genderforschung, der heuer sein 30-Jahr-Jubiläum feiert.