Immer wieder gerät Facebook durch den Umgang mit Personendaten in Negativschlagzeilen. Wie die New York Times unter Berufung auf The Observer of London und The Guardian vor einigen Tagen berichtete, soll das Unternehmen "Cambridge Analytica" Daten von Millionen von Facebook-NutzerInnen unrechtmäßig verwendet haben. Zur Erklärung: Im Rahmen der Umfrage-App „thisisyourdigitallife“ wurden die Daten ursprünglich für Forschungszwecke erhoben. Zwar nutzten „nur“ 270.000 Facebook-UserInnen diese App, zugegriffen wurde allerdings auch auf die Daten der jeweiligen „friends“ der NutzerInnen. Sie wurden dann vom App-Betreiber an Cambridge Analytica zur kommerziellen Nutzung weitergegeben.
Facebook reagierte auf den jüngsten Vorfall mit einer Änderung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen und dem ersten Update der Datenschutzbestimmungen seit mittlerweile drei Jahren. Zudem sollen ab sofort deutlich höhere Investitionen im Bereich Sicherheit vorgenommen werden. Mark Zuckerberg muss sich vor dem US-Congress verantworten. Auch die Europäische Kommission hat Gespräche eingefordert.
„Die Europäische Union hat das Potenzial der Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) für die Data (driven) Economy erkannt. In ihrem Bemühen, einen digitalen Binnenmarkt zu schaffen, arbeitet sie intensiv daran, das Vertrauen der Bevölkerung in ICT-Produkte wieder zu stärken“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Staudegger, Leiterin des Fachbereichs Recht und IT an der Universität Graz. Im Forschungsrahmenprogramm „Horizon 2020“ fördert die Europäische Kommission speziell in diesem Bereich Projekte, die Lösungen erarbeiten. Die Uni Graz ist Teil eines solchen H2020-Projektes namens „TRUESSEC.eu -TRUst-Enhancing certified Solutions for SEcurity and protection of Citizens’ rights in digital Europe” aus dem Fördertopf der Europäischen Kommission. Das Grazer Team steuert dabei Expertise aus den Disziplinen Ethik, Soziologie und Recht bei. „Soziologische Studien zeigen deutlich, dass die Menschen ICT nutzen wollen, dass sie aber wenig Vertrauen in die Angebote haben“, bestätigt Martin Griesbacher, Mitarbeiter am Centrum für Sozialforschung, den status quo. Ziel des Projektes ist es, durch die Entwicklung eines Kriterienkatalogs und Empfehlungen die Schaffung von vertrauenswürdigen Gütesiegeln zu fördern. Sie sollen es den Anbietern erleichtern, ICT-Produkte und -Dienstleistungen entsprechend den europäischen Werten zu verbessern und NutzerInnen helfen, eine informierte Entscheidung darüber zu treffen, ob sie einem Angebot Vertrauen schenken wollen – oder nicht. So soll das Vertrauen der NutzerInnen durch sichtbare Verbesserung der Technologie wiederhergestellt werden.
Die jüngsten Ereignisse bei Facebook unterstreichen die Aktualität und Bedeutung dieser Forschung. „Der aktuelle Daten-Skandal rund um Facebook zeigt deutlich, dass hier mehrere der sechs im Rahmen des Projektes erarbeiteten Kernbereiche der Vertrauenswürdigkeit in ICT-Produkte und-Dienstleistungen missachtet wurden. Insbesondere fehlte jede Transparenz über die Verwendung der Daten“, führt Professor Univ.-Prof. Dr. Harald Stelzer, politische Philosophie, aus. An TRUESSEC.eu arbeiten außerdem mit: Veronika Beimrohr, Anna Haselbacher, Robert Link, Stefan Reichmann, Hristina Veljanova und Lorin-Johannes Wagner.
Die Möglichkeiten, die die Informations- und Kommunikationstechnologie für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung eröffnet, können nur realisiert werden, wenn dabei die legitimen Erwartungen der NutzerInnen berücksichtigt werden. Der im Rahmen des Projektes entwickelte Kriterienkatalog wird auf der TRUESSEC.eu-Konferenz am 27./28. Juni 2018 an der Universität Graz erstmals präsentiert und öffentlich zur Diskussion gestellt. Der Titel der Veranstaltung lautet – in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen zurecht kritisch – „In ICT we trust?“.