Der weiße Rauch stieg genau um 18:08 Uhr an diesem 8. Mai aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle auf. Ein sichtbares Zeichen: Die katholische Welt hat ein neues Oberhaupt. Dass sich die 133 wahlberechtigten Kardinäle nach nur 24 Stunden mit einer Zweit-Drittel-Mehrzeit auf einen Papst einigten, damit haben die Wenigsten gerechnet. Nach rund einer Stunde wurde der Öffentlichkeit auch die Person und sein Name bekanntgegeben: Der 69-jährige Kardinal Robert Francis Prevost aus Chicago heißt ab sofort Leo XIV. Nur wer ist dieser gebürtige US-Amerikaner, der viele Jahre Missionar in Peru und zuletzt für die Personalagenden der Bischöfe im Vatikan zuständig war? Bernd Hillebrand, Professor am Institut für Pastoraltheologie und Pastoralpsychologie, nimmt eine Einschätzung vor.
Bernd Hillebrand: Papst Leo ist ein welterfahrener Mann, der eine amerikanische Herkunft mit lateinamerikanischer Prägung und römischer Kurienkenntnis mitbringt. Er ist gebildet, hat Mathematik, Theologie und Philosophie studiert und in Kirchenrecht promoviert. Ebenfalls hat er Leitungserfahrung in seinem Orden der Augustiner. Viele Jahre war er als Missionar in Peru und vor seiner Berufung nach Rom leitete er als Bischof die Diözese von Chicklayo. In den letzten beiden Jahren hat er das Dikasterium für die Bischofsernennungen geleitet. Er kennt somit die Kurie.
Wieso ging die Wahl so schnell?
Hillebrand: Er wurde vermutlich relativ schnell gewählt, da er zwei Dinge miteinander verbindet. Auf der einen Seite ist er in der Kurie bekannt und geschätzt, lehramtlich treu, und auf der anderen Seite steht er für Synodalität und soziale Gerechtigkeit, was zentrale Anliegen von Papst Franziskus waren. Mit seiner weltkirchlichen und mit seiner kurialen Erfahrung scheint er gegensätzliche Pole miteinander verbinden zu können und berechenbarer als sein Vorgänger zu sein.
Was können wir erwarten?
Hillebrand: Mit seiner Herkunft aus den USA und seiner starken Verwurzelung in Südamerika ist seine Wahl wohl ein politisches Zeichen, zwischen Nord- und Südamerika vermitteln zu können. Er könnte ein Brückenbauer zwischen verfeindeten Lagern werden. Der Papstname Leo ist durchaus Programm: Unmittelbarer Bezug mag Leo XIII. sein, der sich stark für soziale Gerechtigkeit eingesetzt hat und die erste Sozialenzyklika geschrieben hat. Insofern wird er sich, wie Papst Franziskus, für die Armen und Migranten einsetzen. Gegenüber dem amerikanischen Vizepräsidenten Vance hat er sich bereits öfters sehr deutlich kritisierend geäußert. Er wird also eine starke und furchtlose Stimme für soziale Gerechtigkeit sein und setzt sich aktiv für den Klimaschutz ein. Er ist sicher ein Bewahrer traditioneller Glaubenssätze und doch ein gemäßigter Reformer. Zur Weihe von Frauen hat er sich bisher kritisch geäußert. Dennoch steht er in der Kontinuität von Papst Franziskus und setzt sich für Synodalität und soziale Gerechtigkeit ein. „Der Friede sei mit Euch“ waren seine ersten Worte auf der Loggia – dieses Programm macht Hoffnung für die ganze Welt.