Seit dem 18. Jahrhundert sieht die Arbeitsteilung innerhalb der saudi-arabischen Elite vor, dass die Familie der Sauds die politische und ökonomische Macht monopolisiert, während wahhabistische Religionsgelehrte die Herrschaft der Sauds legitimieren und die gesellschaftliche Sphäre organisieren und kontrollieren. Seit der Gründung der absoluten Monarchie 1932 werden die Sauds auch von Ländern im globalen Norden unterstützt, die die Ölimporte und insbesondere die Nachfrage nach Waffen schätzen und die vielfältigen Menschenrechtsverletzungen tolerieren. Eng und gut sind seit der Präsidentschaft Roosevelt und Gründung der California-Arabian Standard Oil (1933, ab 1944 Arabian-American Oil Company, Aramco) vor allem die Kontakte zur US-Elite. Eine weitere Intensivierung transnationaler Verflechtung ist absehbar, wenn der Staatsfonds (Public Investment Fund) nach dem Börsengang von Saudi-Aramco mit Abstand die globale Nr. 1 sein wird. Ausserdem ist Saudi-Arabien seit der Niederschlagung der Besetzung der Grossen Moschee in Mekka 1979 und der sowjetischen Intervention in Afghanistan wichtigster Exporteur salafistischen Gedankenguts, und zwar sowohl mittels Ausbildung von Imamen, Finanzierung von Moscheen als auch mittels Missionierungsarbeit transnationaler Hilfswerke.
Der Beitrag fokussiert im ersten Teil vor dem Hintergrund gängiger Elitetheorien auf die Entwicklung, Struktur und Lebensstile der saudi-arabischen Elite und deren Vermögen und politökonomische Verflechtungen mit Eliten im globalen Norden. Im zweiten Teil werden aktuelle Herausforderungen und Trends thematisiert: u.a. Abhängigkeit von Ölexporten, Fundierung von religiös motiviertem Fundamentalismus und Terror in Europa, Nordamerika und Asien, ökonomische Ungleichheiten, kulturelle Globalisierung, Repression nichtsunnitischer Minderheiten, gebildete Frauen, Krieg in Jemen.
Zum Vortragenden:
Michael Nollert, Prof. Dr., arbeitet an der Universität Freiburg i. Ue., Schweiz, im Departement für Sozialwissenschaften. Aktuelle Schwerpunkte sind u.a. Eliteforschung, ökonomische Ungleichheiten und Konversion zum Islam.