Annette Kisling beschäftigt sich in ihrer fotografischen Arbeit damit, wie Architektur geplante Räume nicht nur prägt, sondern auch bestimmt. Sie richtet ihren Blick auf die sichtbaren Vorderseiten, die Gebäude der Außenwelt zuwenden. 2015 wurde entschieden, dass die Robin Hood Gardens, eine große Wohnanlage in London, abgerissen werden soll. Geplant in den frühen 1970er Jahren von Alison und Peter Smithson, war Robin Hood Gardens seinerzeit ein innovatives und repräsentatives Projekt des sozialen Wohnungsbaus. Zahlreiche Bemühungen, diesen einzigartigen Wohnkomplex zu erhalten und zu sanieren, schlugen fehl. Die Planung und Ausführung einer neuen Bebauung erfolgte in kürzester Zeit. Seit 2015 besucht Annette Kisling Robin Hood Gardens und hält die Veränderung der Wohnanlage fotografisch fest. Jeder Besuch konfrontiert die Fotografin mit einer veränderten Situation im Prozess der Umwandlung des Ortes. Durch ihre Bilder möchte sie ihre Sicht auf die bemerkenswerte Architektur der Smithsons und auf die Besonderheiten der Planung nachvollziehbar machen. Gleichzeitig wird ihre Arbeit der letzten Jahre durch den Abriss und das Verschwinden eines der beiden großen Wohngebäude geprägt, die sich zu Beginn der Beschäftigung mit Robin Hood Gardens noch gegenüberstanden. 2023 nehmen neu entstandene, bezugsfertige Wohnbauten den Platz des abgerissenen Wohnkomplexes ein. Den Neubauten gegenüber steht der noch erhaltene, aber leerstehende zweite Wohnkomplex aus den 1970er-Jahren. Eine sehr spezielle Situation, ein ungewöhnliches Gegenüber.
Wie wirkt Architektur als Medium? Wie konstituiert Fotografie als Medium Bedeutung? Was stellt Architektur dar, und wie können Fotografien Architektur darstellen? Wie entscheidet ein:e Fotograf:in, was nicht sichtbar präsent, jedoch implizit im Bild ist? Wie werden Fotografien gezeigt und rezipiert? Wie reflektieren die Arten und Weisen der Rezeption über die angerissenen Themen und was sagen sie über die Kontexte aus, in denen Architektur und Fotografie betrachtet und interpretiert werden? Solchen und anderen Fragen widmet sich diese Veranstaltung, in der Annette Kisling ihre fotografische Arbeit Robin Hood Gardens vorstellt und mit den Panel-Teilnehmer:innen ins Gespräch kommt, die aus den Blickwinkeln des Kuratierens und der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Fotografie aus Sicht der Kulturwissenschaft und der Kulturanthropologie ihre Fragen und Herangehensweisen zur Diskussion stellen werden.