„Für viele war er tot, für andere nach Südamerika entkommen – geflohen mithilfe der Amerikaner, noch ehe ihn Tito vor ein Militärgericht gestellt hätte. Die Forschungen seines Schwiegervaters Alfred Wegener zu Grönland und den Kontinentalverschiebungen wären für die Amerikaner der Deal gewesen: Papiere gegen Freiheit. Es klang plausibel, doch so war es nicht“, schildert Autor Stefan Karner.
In Wirklichkeit gelang Sigfried Uiberreither 1947 die Flucht aus amerikanischer Haft im Lager Dachau, noch ehe er für seine Verbrechen vor ein Kriegsgericht gestellt worden wäre. Er fand Unterschlupf bei einem Fabriksbesitzer in Sindelfingen (Deutschland), der ihn aus „christlicher Nächstenliebe“ aufnahm, wie er zuvor einer jüdischen Familie Quartier gegeben hatte. Mit einer neuen Identität gelang es ihm und seiner Familie, die er aus Österreich zu sich holte, knapp 40 Jahre lang in Sindelfingen unerkannt zu leben und den Betrieb seines Quartiergebers zu einem erfolgreichen Unternehmen aufzubauen.
Schattenleben in Deutschland
„Was Uiberreither einzigartig macht, ist sein zweites Schattenleben in Deutschland bis zu seinem Tod 1984. Dabei gelang es ihm, sein erstes Leben völlig zu verbergen und als Friedrich Schönharting völlig neu zu beginnen.“ Er hatte also, nimmt Karner Bezug zum Titel seines Buches, zwei Leben, mehrere Gesichter, eine große bekannte Familie. Er zählt auf: „Dazu gehörten unter anderem die Spitzen-Wissenschafter Alfred Wegener, Wladimir Koeppen und Kurt Wegener, die alteingesessenen und angesehenen Überreiters in Salzburg, vom Landesbaudirektor bis zu bekannten Gewerbetreibenden, sowie der Bergsteiger und Tibetforscher Heinrich Harrer, eine Ikone der NS-Propaganda, als sein Schwager.“ Wie konnte der Mann, der an Hitlers Tafel saß, der noch in Nürnberg als Zeuge der Verteidigung in den Prozessen gegen Göring, Seyß-Inquart und Schirach fungiert hatte und in britischer und amerikanischer Hand inhaftiert war, gänzlich von der Bildfläche verschwinden? Diesen und weiteren Fragen geht der Historiker in der Biografie über Gauleiter Uiberreither nach.
Druckfrisch
Stefan Karner, Gauleiter Uiberreither. Zwei Leben. Leykam Universitätsverlag. Graz – Wien 2025. Ev. 512 Seiten, 140 Fotos, über 50 Abbildungen, 1 Karte.
Das Buch ist im Leykam-Verlag erschienen.
⇒ Wer sich für die NS-Zeit und andere zeithistorische Entwicklungen interessiert, wählt das Studium Geschichte.