Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Bekanntes schafft Sicherheit, Ähnlichkeit gibt uns ein Wohlgefühl. Aus der Komfortzone rausbewegen? Muss nicht sein. Dabei tut uns gerade das Ausbrechen aus der eigenen Blase gut: „Nur so bekommen wir akkurate Informationen über uns selbst. Menschen außerhalb meines eigenen Kreises melden mir andere Dinge zurück als meine Freunde. Mit diesem Input erweitern wir unser Selbstbild“, beschreibt die Sozialpsychologin Katja Corcoran.
Sie bestätigt, dass dieser Zugang auch in der Berufswelt wichtig ist. Denn je unterschiedlicher Teams aufgestellt sind, desto mehr Perspektiven fließen in Entscheidungen ein. Dadurch werden sie nachvollziehbarer für einen größeren Personenkreis. Aber: Der Weg dorthin kann herausfordernd sein, bestätigt Corcoran, weil Vertrautes leichter einschätzbar ist. „Wir überwinden diese Form von Trägheit meistens nur dann, wenn wir einen Sinn hinter dem Aufwand sehen. Zum Beispiel ein gemeinsames Ziel zu verfolgen“, erklärt die Wissenschaftlerin.
Diversität leben
Diversität darf deshalb nicht nur ein Schlagwort sein, das man sich an die Fahnen heftet. Sondern eine Einstellung, die überall miteinfließen sollte – in Job, Freizeit, Alltag. „Diese Haltung müssen wir bewusst fördern, weil sie konträr zu unserem bevorzugten Reaktionsmuster ist. Wenn ein Weltbild dazu kommt, das von einer ständigen Konkurrenz-Situation ausgeht, dann tue ich mir noch schwerer damit, Andersartigkeit zu akzeptieren und positiv zu bewerten“, fasst die Forscherin zusammen.
Raus aus der Schublade
Auch Menschen, die nicht in vorgefertigte Kategorien passen (wollen), bereichern unsere Sicht. Denn sie eröffnen Spielräume für uns alle, schildert die Forscherin: „Wenn wir klassische Kategorisierungen von ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ ablegen, bringt uns das Freiheiten. Grenzen werden durchlässiger und sind nicht mehr so stark an scheinbar unverrückbare biologische ‚Tatsachen‘ gebunden“.
Hinter der vordergründigen Ablehnung gegenüber „Andersartigen“ kann die Angst stecken, sich ihnen gegenüber unkorrekt zu verhalten, überlegt Corcoran: „Klare Regeln erleichtern den Umgang miteinander. Wenn nichts ‚richtig‘ sein muss, aber alles ‚falsch‘ sein kann, empfinden das manche als Stress und reagieren mit Abwehr.“ Besser als verlegenes Schweigen oder offene Aggression wäre, wertfrei ins Gespräch zu kommen. Und das Gegenüber nicht darauf zu reduzieren, was ihn oder sie anders macht, sondern nach Gemeinsamkeiten zu suchen.
⇒ weiterlesen im Magazin UNIZEIT 1/2023