Die Studienplatzfinanzierung soll im Universitätsbudget in der nahen Zukunft eine gewichtige Rolle spielen. Die Karl-Franzens-Universität Graz hat im Vorfeld die aktuelle Situation unter die Lupe genommen und Rahmenbedingungen für Prüfungs(in)aktivität untersucht. Das Ergebnis: Prüfungsaktivität hängt von verschiedenen Faktoren ab und kann seitens der Universität nur zum Teil beeinflusst werden. Außerdem sollten die derzeitigen Kriterien zur Berechnung überdacht werden.
Neuland betrat die Uni Graz mit der Untersuchung der Einflussfaktoren für Prüfungsaktivität bzw. -inaktivität. Denn im deutschsprachigen Raum gab es bislang zwar Untersuchungen zu verwandten Phänomenen wie etwa Studienabbruch, aber kein Forschungsprojekt, das sich explizit diesem Thema widmete. Gleichzeitig gewinnt die Kennzahl „Prüfungsaktive Studien“ zunehmend an Bedeutung. Das Wissenschaftsministerium verwendet sie bereits als Indikator für die Hochschulraum-Strukturmittel, sie ist sowohl bei der Leistungsvereinbarung als auch bei der Budgetzuteilung an die Fakultäten von Relevanz. Rektorin Univ.-Prof. Dr. Christa Neuper: „Vor dem Hintergrund ständig steigender Studierendenzahlen ist eine kapazitätsorientierte Finanzierung für unsere Universität von großer Bedeutung.“
Anlass für die Uni Graz, sich damit eingehend zu beschäftigen: Im Sommersemester 2014 wurden von der Abteilung Lehr- und Studienservices im Auftrag des Rektorats ausgewählte Bachelorstudien (Geschichte, Geographie, Romanistik und Volkswirtschaftslehre) untersucht. Im Mittelpunkt der Erhebung standen die Fragen: Welche Rahmenbedingungen begünstigen Prüfungsaktivität und welche behindern sie? Die Antworten der Studie: Eine Summe an Faktoren – von der eigenen Motivation über die Organisation bis hin zur Erwerbstätigkeit – bestimmt das Verhalten der Studierenden.
Ergebnisse
- Ist das Bachelorstudium als Hauptstudium belegt, sind die Studierenden prüfungsaktiver.
- Für die Prüfungsaktivität macht es keinen Unterschied, ob die Studienmotivation aus eigenem Antrieb oder von außen kommt.
- Klaffen Studienerwartungen und -realität auseinander, schlägt sich das in der Prüfungsinaktivität nieder.
- Selbstorganisationskompetenzen sowie soziale Integration an der Uni/am Institut/im Fach spielen eine Rolle.
- Sowohl das Ausmaß der Erwerbstätigkeit als auch der inhaltliche Bezug der Erwerbstätigkeit zum Studium haben einen signifikanten Einfluss auf die Prüfungsaktivität.
- Während das Geschlecht nicht relevant ist, besteht hingegen ein Zusammenhang mit dem Alter der Studierenden: In der Uni-Graz-Untersuchung zeigte sich, dass prüfungsinaktive Studierende etwas älter als ihre prüfungsaktiven KollegInnen sind. Dies lässt den Schluss zu, dass Prüfungsinaktive eher der Gruppe der „nicht-typischen Studierenden“ angehören, wie etwa WiedereinsteigerInnen, Personen mit Betreuungspflichten oder Seniorenstudierende.
Maßnahmen
„Die Universität kann diese Umstände zwar nur zu einem geringen Teil beeinflussen, will aber die Studierenden bestmöglich mit Maßnahmen unterstützen“, erklärt Ao.Univ.-Prof. Dr. Martin Polaschek, Vizerektor für Studium und Lehre. Unter anderem sind folgende Initiativen geplant:
- Weiterer Ausbau der Studienberatung und Zusammenarbeit mit Schulen, um die Treffsicherheit bei der Studienwahl zu erhöhen.
- Erweiterung von Services, wie das Schreibzentrum und das Mentoring-Projekt „Die Ersten in ihrer Familie, die an die Uni gehen“ mit zunehmendem Fokus auf die heterogene Studierendenschaft.
- Etablierung eines fachlich passenden Angebots zur Stärkung der Identifikation mit der Universität und Förderung des studentischen Gemeinschaftgefühls.
- Stärkere Unterstützung bei der Organisation von Praktika zur Förderung des inhaltlichen Bezugs zwischen Erwerbstätigkeit und Studium. Studierende könnten zudem im Rahmen ihres Praktikums als Buddies/MentorInnen für Erstsemestrige eingesetzt werden, um so auch die Einbindung der StudienbeginnerInnen zu steigern.
Indikatoren
Erkenntnisreiche Informationen lieferten auch die Zahlen zur Prüfungsaktivität an der Karl-Franzens-Universität. Den aktuellen, vom Ministerium vorgegebenen Kriterien, wonach 16 ECTS bzw. acht Semesterwochenstunden pro Studienjahr zu absolvieren sind, entsprechen derzeit rund 55 Prozent der Studierenden der Uni Graz.
Ein genauer Blick erklärt die Hintergründe: Im Schnitt hat jedeR dritte StudentIn mehrere Studien belegt, absolviert in den einzelnen Studien oft weniger als das geforderte Stundenausmaß und gilt deshalb aufgrund der Indikatoren als prüfungsinaktiv. Die Erklärung: Denn die Prüfungsaktivität wird pro Studium und nicht pro StudentIn gemessen. Würden die Kopfzahlen herangezogen werden, wären zirka 70 Prozent der Studierenden prüfungsaktiv.
„Es bedarf von politischer Seite einer Klärung, wie mit Mehrfachinskriptionen oder studentischer Erwerbstätigkeit umgegangen werden soll“, fordert Neuper die Berücksichtigung dieser Punkte, damit weder den Studierenden noch den Universitäten Nachteile entstehen.
Gesellschaftliche Aufgabe
Die Inskription von mehr als einem Studium hat unterschiedliche Gründe: Junge Studierende treffen erst nach einer Phase der Orientierung eine Entscheidung für ein bestimmtes Hauptstudium. Zudem kann der Erwerb von zusätzlichen Kompetenzen – vor dem Hintergrund des lebenslangen Lernens – dazu führen, dass Studierende zwar in mehreren Studien inskribiert sind, aber wenige Prüfungen ablegen.
Rektorin Neuper unterstreicht die Bedeutung der Interdisziplinarität: „Die Studierenden erhalten für die persönliche Entwicklung und mit dem Zuwachs von Zusatzqualifikationen einen enormen Mehrwert.“ Für diese wichtige gesellschaftliche Aufgabe der Universitäten brauche es aber auch die entsprechenden Ressourcen.
Kontakt: MMag. Alexandra Dorfer-Novak, Lehr- und Studienservices