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Universität Graz Neuigkeiten „SpionInnen sind wir alle“

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Mittwoch, 20.06.2018

„SpionInnen sind wir alle“

Siegfried Beer, einer der wenigen österreichischen GeheimdienstexpertInnen. Mit 5. Juli legt er die Leitung des ACIPSS-Zentrum zurück. Foto: Uni Graz/Tzivanopoulos.

Siegfried Beer, einer der wenigen österreichischen GeheimdienstexpertInnen. Mit 5. Juli legt er die Leitung des ACIPSS-Zentrum zurück. Foto: Uni Graz/Tzivanopoulos.

Im Gespräch macht sich der Zeithistoriker für die Einrichtung einer Ausbildung im Bereich "Intelligence"-Studies stark. Foto: Uni Graz/Tzivanopoulos.

Im Gespräch macht sich der Zeithistoriker für die Einrichtung einer Ausbildung im Bereich "Intelligence"-Studies stark. Foto: Uni Graz/Tzivanopoulos.

Bei der 24. Jahreskonferenz der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Geheimdienststudien ging es um die Rolle von Geheimdiensten in Zentral-, Ost- und Südosteuropa. Foto: ACIPSS.

Bei der 24. Jahreskonferenz der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Geheimdienststudien ging es um die Rolle von Geheimdiensten in Zentral-, Ost- und Südosteuropa. Foto: ACIPSS.

Geheimdienstexperte Siegfried Beer über die Faszination der Spionage, Polizeistaat als Tradition und den Neuen Terrorismus

Sein Spezialgebiet ist (noch immer) eine wissenschaftliche Nische in Österreich: Siegfried Beer ist einer der wenigen HistorikerInnen hierzulande, die sich mit „Intelligence“, also Geheim- und Nachrichtendiensten, beschäftigen. Das macht ihn unter anderem auch zu einem stark gefragten Interviewpartner, wenn es um Spionage und globale Terrorbekämpfung geht. Am 5. Juli 2018 tritt der langjährige Leiter des Zentrums für Geheimdienststudien an der Universität Graz, kurz ACIPSS, zurück. Im Interview macht Siegfried Beer eines klar: „Wir brauchen in Österreich unbedingt eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung im Bereich Intelligence und Security-Studies, am besten durch ein Master-Studienprogramm!“

Die Abhörung österreichischer Behörden und Firmen durch den deutschen Bundesnachrichtendienst, der Fall des vergifteten russischen Spions Sergei Skripal oder die Ermittlungen gegen den österreichischen Verfassungsschutz: Momentan scheinen Spionage, Geheim- und Nachrichtendienste allgegenwärtig zu sein. Wie empfinden Sie das im Vergleich zu den Anfängen Ihrer Forschungstätigkeit?

Es gibt tatsächlich Veränderungen. Erstens erkennen PolitikerInnen heute sehr viel mehr, wie relevant das Thema ist, spätestens seit Edward Snowden. Zweitens hat sich die ganze Geheimdienstszene von der Aktenlage her etwas liberalisiert, manches ist jetzt zugänglich, was früher top secret war. Und drittens ist Intelligence heute auch in der breiten Bevölkerung angekommen, nicht zuletzt durch populäre Serien wie „Homeland“ oder den Oscar-Streifen „The Imitation Game“. Ich sehe das als positive Entwicklung und glaube auch, dass es Sinn macht, darauf hinzuweisen, dass Nachrichten- und Geheimdienste ein wesentlicher Teil der Politik sind, weil sie für den Erhalt der Sicherheit eine große Rolle spielen. Und Sicherheit nach innen und außen für die BürgerInnen zu gewährleisten, ist eine der wichtigsten Aufgaben jeden Staates.

Österreich profitiert im Tourismus durch seine historische Geheimdienst-Tradition. In Wien gibt es beispielsweise Touren zu den Drehorten des Kultfilms „Der dritte Mann“. Wie wichtig ist Intelligence hierzulande für die reale Politik?

Leider nicht sehr. Zwar wurden die ersten staatlichen Aufklärungsdienste in Österreich schon unter Klemens von Metternich im 19. Jahrhundert eingerichtet. Die Spionage nach innen im Sinne eines Polizeistaates gibt es natürlich heute bei uns nicht mehr. Die heimischen Nachrichtendienste und die für sie zuständigen Ministerien leben nach dem Motto: Nur nicht auffallen. Das mag zwar nachvollziehbar klingen, Fakt ist aber: Es fehlt den AkteurInnen eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung – etwas, das in Ländern wie den USA, Großbritannien oder den Niederlanden schon längst Standard ist. Das 21. Jahrhundert könnte zum Jahrhundert der Intelligence-Probleme werden. Neue technische Möglichkeiten eröffnen neue Formen und Wege des Terrorismus. Deshalb müssen wir unbedingt auf der Höhe der Zeit bleiben. Die Universität Graz war Vorreiter, weil hier das ACIPSS vor 14 Jahren als erstes derartiges Zentrum gegründet wurde. Heute ist dessen Zukunft aber leider ungewiss.

Sie sind Zeithistoriker mit Schwerpunkt Internationale Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert. Wie haben Sie das Thema Geheim- und Nachrichtendienste für sich entdeckt?

Das war die Macht des Zufalls, denn ich war alles andere als prädestiniert dafür. Spionageliteratur und -filme haben mich in jungen Jahren nicht besonders interessiert. Im Zuge einer Recherche in der Militärabteilung des Nationalarchivs in Washington in den mittleren 1980er-Jahren bin ich aber auf Akten über Österreich gestoßen, die vom OSS, dem Vorläufer der heutigen CIA, stammten. Es hat mich fasziniert, was damals alles über uns bekannt war. Zudem war das Thema Geheimdienst in Österreich wissenschaftlich noch unbearbeitet. Und auch heute kann man die sich dazu bekennenden ExpertInnen in diesem Bereich an einer Hand abzählen. Es gibt zwar zum Glück kompetenten, engagierten Nachwuchs, aber er müsste gezielt gefördert werden.

Warum fasziniert Ihrer Meinung nach das Thema Spionage heute so stark?

Ganz einfach: Spionage ist das zweitälteste Gewerbe der Welt. SpionInnen sind wir alle. Wir alle suchen Informationen, und manchmal sind sie geheim und man muss sich besonders anstrengen, um sie zu bekommen. Es ist etwas zutiefst Menschliches, das wir hier erkennen.


>> ACIPSS als Co-Organisator der 24. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Geheimdienststudien zur Rolle von Geheimdiensten in Zentral-, Ost- und Südosteuropa

Graz als Hauptstadt der Geheimdienstforschung: Kürzlich fand die 24. Jahreskonferenz der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Geheimdienststudien (IIHA) in der steirischen Landeshauptstadt statt. ACIPSS und das Zentrum für Südosteuropastudien (CSEES) der Universität Graz waren Co-OrganisatorInnen der Konferenz, an der rund 30 internationale ForscherInnen und ExpertInnen referierten. Das gemeinsame Ziel war es, sich über neu erlangte Perspektiven bezüglich der Rolle von Geheimdienstorganisationen in Zentral-, Ost- und Südosteuropa auszutauschen. Im Zuge eines Young Researcher Forums bekamen auch junge WissenschafterInnen die Gelegenheit, ihre Arbeiten zu präsentieren und sich mit arrivierten KollegInnen auszutauschen. Thematisch spannte sich die Bandbreite unter anderem von neuen Ergebnissen zu Geheimdienstoperationen in Rumänien und Bulgarien während des ersten Weltkrieges über Terrorismus im Kalten Krieg unterstützt durch Geheimdienstkooperationen, zum Beispiel seitens der ostdeutschen Stasi, bis hin zur Beteiligung Libyens im Palästinakonflikt und der Dreiecksbeziehung zwischen Israel, der Türkei und dem Iran.

Erstellt von Gerhild Leljak

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