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Dienstag, 15.12.2020

Schwarz auf weiß

Die Germanistin Elisabeth Scherr hat herausgefunden, dass sich die vor allem zu Beginn der Pandemie starke Ungewissheit auch in Medienberichten widerspiegelt. Foto: Markus Winkler auf Pixabay

Die Germanistin Elisabeth Scherr hat herausgefunden, dass sich die vor allem zu Beginn der Pandemie starke Ungewissheit auch in Medienberichten widerspiegelt. Foto: Markus Winkler auf Pixabay

Was das Virus mit der Sprache macht: Germanistin der Universität Graz zeigt Einfluss auf mediale Berichterstattung auf

Das Corona-Virus beeinflusst unser Handeln. Es verändert sogar unsere Kommunikation. Elisabeth Scherr, Germanistin an der Universität Graz, hat herausgefunden, dass sich die vor allem zu Beginn der Pandemie starke Ungewissheit massiv in Medienberichten widerspiegelt. Bei ihrer Studie standen Modalverben wie sollen, können und dürfen im Fokus, die Unsicherheiten buchstäblich zur Sprache bringen können.

Etwa 500 Artikel der Online-Ausgaben der Tageszeitung „Der Standard“ mit dem Schwerpunktthema Corona hat Elisabeth Scherr für ihre Studie untersucht: „Es hat sich gezeigt, dass mit Februar 2020 zunehmend häufig grammatische Strukturen, die eine Vermutung ausdrücken, eingesetzt wurden.“ Die Wissenschafterin am Institut für Germanistik führt dies auf die unklare Faktenlage insbesondere zu Beginn der Pandemie zurück.
Diese Situation kommt unter anderem durch die Verwendung von Modalverben zum Ausdruck. „Dort soll eine mittlerweile als ,Patientin 31` bekannte Person dutzende Menschen angesteckt haben“, nennt Scherr ein Beispiel aus der Zeitung „Der Standard“ vom 24. Februar 2020. Ebenso häufig tauchen in den Artikeln die Modalverben „dürfen“ und „können“ in dieser Weise auf.

Je länger die Pandemie dauert, desto besser die Datenbasis. Das schlägt sich in der Berichterstattung nieder. „Denn im Vergleich zum Februar 2020 ist die Verwendung der so eingesetzten Verben im Oktober 2020 signifikant gesunken“, bestätigt die Forscherin.
In Ergänzung zu den „Standard“-Artikeln analysierte Scherr diese „Vermutungsstrukturen“ in der deutschen „Bild“-Zeitung. Der Vergleich dieser beiden Medien ergab einen deutlichen Unterschied in Bezug auf die Nennung von Quellen, wenn Modalverben zum Ausdruck einer Vermutung in Berichten über das Corona-Virus verwendet werden. Scherr: „In der Bild-Zeitung wurden sie in den analysierten Berichten immer wieder ohne Quellenangabe verwendet, im Standard in den überwiegenden Fällen mit.“

Wie facettenreich Ungewissheit auf Sprache wirken kann, zeigt Elisabeth Scherr anhand des vielzitierten Satzes von Sebastian Kurz vom 30. März 2020: „Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der an Corona gestorben ist." Die Wissenschafterin erläutert die Effekte, die sich durch die grammatische Gestaltung ergeben: „Die Wirkung dieses Zitats wird maßgeblich dadurch beeinflusst, dass das Verb im Futur verwendet wird, was das sichere Eintreten eines Szenarios nahelegt.“

Die Ergebnisse ihrer Studie stellte die Germanistin kürzlich bei der internationalen Online-Tagung „Sprache im Lockdown“, veranstaltet als Kooperation der Institute für Germanistik sowie für Sprachwissenschaft an der Universität Graz, vor. Eine Übersicht zu Programm und Beiträgen unter https://sprache-im-lockdown.uni-graz.at

Erstellt von Andreas Schweieger

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