Im Hochgebirge steigen die Durchschnittstemperaturen rascher an als in tiefer gelegenen Regionen. Das haben ForscherInnen etwa in den Alpen, den Anden, den Rocky Mountains und den asiatischen Bergregionen beobachtet. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Schöner vom Institut für Geographie und Raumforschung der Uni Graz hat in den Alpen und insbesondere am Observatorium am Sonnblick zahlreiche Untersuchungen durchgeführt. Die Hintergründe für dieses Phänomen und die möglichen Konsequenzen haben die WissenschafterInnen aus aller Welt heute, am 23. April 2015, unter dem Titel „Elevation-Dependent Warming in Mountain Regions of the World” im Fachmagazin Nature Climate Change publiziert.
Alpen im Fokus
Die Szenarien zur globalen Erwärmung berücksichtigen regionale Besonderheiten zu wenig. So steigt beispielsweise im gesamten Alpenraum die Durchschnittstemperatur etwa doppelt so rasch an wie im weltweiten Mittel, im Hochgebirge ist dieser Effekt noch deutlicher spürbar. Wolfgang Schöner, auch stellvertretender Leiter des Observatoriums am Sonnblick, beobachtet seit Jahren die Witterungsphänomene und erforscht die physikalischen Prozesse, die dafür verantwortlich sind. Dabei steckt der Teufel im Detail: „Übers Jahr gesehen hat sich der alpine Raum nur geringfügig erwärmt. Allerdings verzeichnen wir im Frühjahr einen signifikanten Temperaturanstieg, der durch eine gegenteilige Entwickung im Sommer wieder ausgeglichen wird“, berichtet der Geograph. Die Folgen der Klimaerwärmung können dadurch jedoch nicht gebremst werden: Die früher eintretende Schneeschmelze beeinflusst den Wasserkreislauf, das Fehlen der weißen Pracht und der Rückgang der Gletscher feuert den Temperaturanstieg zusätzlich an. „Die weiße Oberfläche reflektiert sehr viel Strahlung und kühlt daher, braune Berge bewirken das Gegenteil“, erklärt Schöner.
Einen weiteren Effekt haben die Wolken: Sie verringern die nächtliche Ausstrahlung der Erde, schirmen aber bei Tag auch die Sonne ab. Im Gebirge hat die Bewölkung zugenommen und dürfte daher auch für die geringere Erwärmung im Sommer verantwortlich sein. „Es ist schwer, in den Klimamodellen all diese Faktoren richtig zu erfassen“, so der Wissenschafter. „Daher sind Aussagen über diesen Gebirgseffekt für die Zukunft noch unsicher.“
Auswirkungen in Asien
In den anderen Hochgebirgsregionen der Welt spielen die verschiedenen physikalischen Prozesse eine noch größere Rolle. Die Verschiebung der Schneeschmelze könnte in Asien beispielsweise zu längeren Trockenzeiten führen. Am Tibetanischen Plateau manifestiert sich die Klimaveränderung am deutlichsten. Dort ist in einer Seehöhe über 4000 Meter in den letzten zwanzig Jahren die Temperatur beinahe 75 Prozent stärker angestiegen als in Regionen unter 2000 Meter. „Die meisten aktuellen Vorhersagen basieren auf unvollständigen und suboptimalen Daten. Stimmen unsere neuen Annahmen, hat das gravierende soziale und wirtschaftliche Konsequenzen und wir müssen uns auf wesentlich dramatischer Veränderungen einstellen, als bisher angenommen“, fasst Dr. Nick Pepin von der Universität Portsmouth, der Hauptautor der Studie, zusammen.
Die Arbeitsgruppe steht unter der Schirmherrschaft der Mountain Research Initiative, einer internationalen Organisation, die die Erforschung von Gebirgsregionen vorantreibt.
Donnerstag, 23.04.2015