Kroatien, die Vojvodina und der Kosovo sind drei Beispiele für Regionen, in denen der Schutz nationaler Minderheiten rechtlich verankert ist, aber noch nicht vollständig umgesetzt wurde. Eine Studie der Uni Graz hat im Auftrag des Unterausschusses für Menschenrechte des Europäischen Parlaments ermittelt, wie die EU die Instrumentarien des Erweiterungsprozesses nutzen kann, um den Schutz der Menschenrechte von Minderheiten in den Balkanstaaten zu verbessern. Das Fazit der WissenschafterInnen: Konkretere Zielvorgaben für die jährlichen Fortschrittsberichte, politische Verpflichtungen und finanzielle Unterstützung für die Umsetzung der rechtlichen Bestimmungen könnten helfen, Minderheiten nicht nur im Gesetzbuch, sondern auch in der Realität besser zu schützen.
Das Projekt-Team – Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Benedek, Univ.-Prof. Dr. Florian Bieber, Mag. Lisa Maria Heschl E.MA, Ass.-Prof. Dr. Emma Lantschner, Univ.-Prof. Dr. Josef Marko und Mag. Reinmar Nindler – kann stolz auf den Zuschlag des EU-Auftrags sein, da sich die Uni Graz damit gegen hochrangige, internationale MitbewerberInnen durchgesetzt hat.
Das Recht, sich selbst als Angehöriger einer Minderheit zu definieren oder nicht, auf Sprache , auf Bildung, Medienpräsenz und auf einer Teilnahme am politischen und wirtschaftlichen Leben sind Punkte, die das Team des UNI-ETC (Europäisches Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie) und des Zentrums für Südosteuropastudien der Uni Graz in ihrer Studie exemplarisch herausgegriffen haben um einerseits die rechtlichen Rahmenbedingungen und andererseits Beispiele guter Praxis hinsichtlich der Implementierung von internationalen und regionalen Minderheitenstandrads in den Balkanstaaten aufzuzeigen.
Dabei hat sich herausgestellt: „Der rechtliche Rahmen ist generell weit fortgeschritten. Viele Minderheitenschutzgesetze sind jedoch das Resultat ausländischer Interventionen, und nicht nationaler Zugeständnisse“, erklärt Lisa Maria Heschl vom UNI-ETC, dem ersten Kompetenzzentrum für Menschenrechte an einer österreichischen Universität. „Das bedeutet, dass vor Ort oft weder die personellen noch die finanziellen Kapazitäten für die Umsetzung der Minderheitenschutzgesetze gegeben sind.“ Auch an Überwachungsmechanismen vor allem auf lokaler Ebene mangle es oft, so die Wissenschafterin.
Der Schwerpunkt der Studie lag auf einer Untersuchung der Einflussmöglichkeiten der EU auf den Schutz der Minderheiten in den westlichen Balkanstaaten, berichtet die Forscherin. „Wir haben die jährlichen Fortschrittsberichte sowie finanzielle Instrumente untersucht um herauszufinden, ob und in welchem Ausmaß Minderheitenrechte integraler Bestandteil der politischen Voraussetzungen für einen EU-Beitritt sind“, berichtet Heschl. „Außerdem haben wir uns angesehen, wo konkrete finanzielle Unterstützung für Maßnahmen zum Schutz von Minderheiten zur Verfügung steht“, erklärt die Wissenschafterin. Die Kooperation der EU mit anderen wesentlichen AkteurInnen des Minderheitenschutzes, wie dem Europarat und der OSZE, war ein weiterer Gegenstand der Untersuchungen.
Die Empfehlungen des Grazer Teams an die EU, insbesondere an die Europäische Kommission und das Europäische Parlament, betrafen vor allem die Frage, wie die Instrumente des Erweiterungsprozesses in Hinblick auf den Schutz von Minderheitenrechte, die Kooperation mit anderen AkteurInnen und die regionale Zusammenarbeit verbessert werden könnten. „Beispielsweise sollten in den Beitrittsverhandlungen klare Zielvorgaben hinsichtlich der rechtlichen Standards und der Umsetzung derselben gemacht werden“, unterstreicht Heschl. Auch die finanziellen Instrumente sollten mit den Fortschrittsberichten abgestimmt und Förderungen entsprechend vergeben werden. Die Ergebnisse der Studie wurden Ende 2012 beim Unterausschuss für Menschenrechte des Europäischen Parlaments gemeinsam vom Uni-ETC und dem SOEZ präsentiert.
Dieses Projekt ist in den Schwerpunkt „Menschenrechte, Demokratie, Diversität und Gender“ der Rechtswissenschaftlichen Fakultät eingebettet, der wiederum Teil des universitären Forschungsschwerpunkts „Heterogenität und Kohäsion“ ist.