In Zeiten, „in denen Menschenleben im Namen Gottes ausgelöscht“ werden, ist die Verantwortung der Religionen für ein friedliches Zusammenleben herausgefordert. Das betonte der Innsbrucker Islamische Religionspädagoge Zekirija Sejdini in einer Gastvorlesung an der der Universität Graz. Dafür sei ein interreligiöser Dialog auf der Ebene der Institutionen und Theologien, aber auch auf der Ebene von persönlichen Begegnungen notwendig.
Viele theologische Positionen, die von Muslimen in Europa vertreten werden, sind aus anderen Kontexten importiert und passen nicht in die kulturelle Situation des Kontinents. Die Politik ist daher aufgerufen, Wissenschaft und religiöse Bildung bei der Entwicklung eines Islams europäischer Prägung zu unterstützen. Unter Berücksichtigung von Grundsätzen der Aufklärung müssen neue islamische Standpunkte gefunden werden. Die Universität als neutraler dritter Raum kann der Ort sein, an dem ein multiperspektivischer Zugang zur eigenen Religion gewonnen wird, so Sejdini. Im Koran finden sich ambivalente Haltungen gegenüber dem Christentum und dem Judentum. Für einen konstruktiven Dialog ist daher eine kontextspezifische Interpretation des Koran unabdingbar. „Ohne eine universitäre Entfaltungsmöglichkeit sind die Erwartungen nach einer kontextsensiblen Haltung innerhalb des Islam weder realistisch noch gerechtfertigt.“
Als weitere Voraussetzungen für einen gelingenden interreligiösen Dialog nannte Sejdini die Empathie mit dem Gegenüber, aber auch die Revidierung des eigenen Wahrheitsanspruches, das Zugeständnis von Heil auch außerhalb der eigenen Religion und die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Glaubenslehre.
Dienstag, 21.06.2016