Wie sind sie als fiktive Figuren, Rollen oder Typen gemacht: Bösewicht Jago aus Shakespeares "Othello", Bibelheld Simson oder die Völker eines Tabletop-Strategiespieles wie "Warhammer Fantasy"? Warum tun sich Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts mit historischen Helden so schwer? Was unterschied auf der Bühne des Unterhaltungstheaters die "Soubrette" von einer "munteren Liebhaberin" oder die Figuren Lessings, Schillers und Nestroys von den Rollentypen ihrer Vorgänger? Und wie inszenieren wir uns selbst in dieser spätmodernen Welt, wo Identität prekär geworden ist und die Suche danach so schwierig wie wohl nie zuvor?
Im Verlauf der von Ao.Univ.-Prof. Dr. Beatrix Müller Kampel vom Institut für Germanistik der Karl-Franzens-Universität und PD Dr. Marion Linhardt, Uni Bayreuth, konzipierten, vierten Tagung aus dem Schwerpunktbereich "LiTheS: Literatur- und Theatersoziologie" an der Uni Graz wurden diese Fragen vom 30. Mai bis zum 1. Juni 2013 unter dem Generalthema „Person – Figur – Rolle – Typ. Kulturwissenschaftliche und kultursoziologische Zusammenhänge“ diskutiert.
Präsentiert wurden begriffsgeschichtliche oder definitorische Grundrisse zu "Person"–"Figur"–"Rolle"–"Typ" als Kategorien der (Literatur- und Theater-)Soziologie, gattungsgeschichtliche (Anti-)Heldenporträts und Fallstudien sowie Überlegungen zu Möglichkeiten der literatur- und theaterwissenschaftlichen Operationalisierung der Typen- und Rollenbegriffe von Marcel Mauss und Erving Goffman. Gegenstand der Tagung waren aber ebenso theater- und figurengeschichtliche Debatten zwischen dem Hohnsteiner Kasperl, dem traurigen Klappmaul-Matthes und der rumpflosen Erdapfel-Puppe Bruno und ihrem Spieler Rudi Strauch von der Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität zu Köln/Schloss Wahn, der mit seiner eigenen Bühne nebst Beleuchtung angereist war.
Abschließend nahm Josef Haslinger, Autor, Professor für literarische Ästhetik am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und seit Mai 2013 Präsident des PEN-Zentrums Deutschland („Opernball“, „Das Vaterspiel“, „Phi Phi Island“, „Jáchymov“), mit einer Lesung und anschließendem Gespräch „Das Theater mit den Figuren“ ins Visier.
Die Tagung war auch Teil des germanistischen Curriculums bzw. des im Sommersemester 2013 vom Kabarettisten, Autor und Schauspieler Alfred Dorfer und von Beatrix Müller-Kampel angebotenen vierstündigen interdisziplinären Moduls "LitheS: Literatur- und Theatersoziologie", bestehend aus den Seminaren "Satire und Kabarett" sowie "Figuren, Typen und die Lustige Person auf der Bühne. Geschichte, Theorie, Soziologie".