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Universität Graz Neuigkeiten Computermodelle zeigen den Weg zu mehr sozialer Gerechtigkeit

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Dienstag, 20.02.2024

Computermodelle zeigen den Weg zu mehr sozialer Gerechtigkeit

Patrick Mellacher im Resowi-Gebäude der Universität Graz ©Manuel Schaffernak

Patrick Mellacher geht mit seinen Computersimulationen der Frage nach, wie Ungleicheit entsteht und wie sie reduziert werden kann. Foto: Uni Graz/Schaffernak

Wie erreicht man mehr soziale Gerechtigkeit. Dieser Frage widmen sich Volkswirte seit Jahrzehnten. Nun kann man dank Computersimulationen neue Erkenntnisse aus den unterschiedlichen Theorien gewinnen. Der Uni-Graz-Forscher Patrick Mellacher zeigt so, wie Innovationen und Bildung die Ungleichheit zwischen Arm und Reich reduzieren können. Die Grundvoraussetzung für mehr soziale Gerechtigkeit.

Wenn Reiche immer reicher werden und Arme immer ärmer, können Gesellschaften aus dem Gleichgewicht geraten. Ein wichtiges Ziel der Wirtschaftspolitik ist daher, diese Ungleichheit möglichst einzudämmen, Menschen sollen eine Vielfalt an Möglichkeiten haben, sowohl beim Konsum als auch im Arbeitsbereich. Bei der Suche nach dem „Wie“ helfen Computermodelle. Patrick Mellacher vom Schumpeter-Zentrum der Universität Graz hat in seiner Dissertation auf diese Weise drei Modelle untersucht.

„Man kann das mit einer Art Computerspiel vergleichen, in dem die Zeit rasch vergeht. Dort gibt es virtuelle Gesellschaften, die aus sogenannten Agenten bestehen, welche die Rollen von Firmen, Arbeiter:innen oder Konsument:innen übernehmen.“ Diese handeln nach klar vorgegeben Regeln und die Wissenschaftler:innen können die Veränderungen über Jahrzehnte beobachten.

Große Vordenker

„Bei der ersten Simulation habe ich auf das 2010 erschienene Schumpeter-Keynes-Modell gesetzt.“ Es fußt auf den Theorien von zwei großen Vordenkern der Volkswirtschaft. John Maynard Keynes hat sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit dem Problem der Erwerbslosigkeit beschäftigt und wie man diese kurzfristig eindämmen kann. Auf seinen Thesen beruhte der New Deal in den USA der 1930er Jahre sowie die Wirtschaftspolitik Bruno Kreiskys im Österreich der 1970er Jahre.

Joseph Schumpeter hat untersucht, wie wirtschaftlicher Wandel geschieht, wie Fortschritt ökonomisch erklärt werden kann. Er sieht Innovation als Treibkraft des Wachstums. Auf ihn geht der Begriff der „Schöpferischen Zerstörung“ der „Creative Destruction“ zurück, der heute im Silicon Valley ein geflügeltes Wort ist. Demnach bedeutet Innovation auch stets das Zerstören alter Strukturen, um neue zu schaffen.

Szenarien

Das Schumpeter-Keynes-Modell verbindet die beiden Ansätze. So konnte Mellacher in der Simulation unterschiedliche Szenarien analysieren. Im ersten Durchgang bestimmte er, dass Arbeiter:innen mit schlechter Ausbildung mehr Lohn bekommen sollten. Die Entwicklung war überraschend: „Ich hätte damit gerechnet, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich etwas schließt“, sagt der Forscher. In der Simulation haben die Unternehmen allerdings neue Technologien entwickelt, um Arbeitskräfte zu ersetzen und so Kosten zu sparen.

Mit diesen Werten konfrontiert, drehte Mellacher an den Stellschrauben und fand doch einen Weg, um die Einkommenskluft zu reduzieren. Lohnsteigerung müssen mit einer Höherqualifikation und mit Weiterbildung einhergehen. „Wenn Jobs verschwinden, können die Betroffenen neue Berufe ergreifen. So geht die Ungleichheit geht zurück.“

Die Macht der Konzerne

In seiner zweiten Simulation blendete Mellacher die Haushalte aus und beobachtete mit einem anderen Modell nur die Ungleichheit zwischen Unternehmen. „Dabei habe ich die Regeln so geändert, dass es einen ständigen technologischen Wandel gibt und laufend neue Produkte entstehen.“ In Folge entstand über die Zeit ein deutliches Missverhältnis. Am Beginn waren bei der Firmengründung mit einem neuen Produkt die Bedingungen für alle noch gleich. „Doch aus den kleinen Start-ups wurden immer größere Unternehmen. Es kam in der Simulation zur Bildung von Oligopolen, bei denen die Macht in der Hand weniger Unternehmen lag.“ Großkonzerne können beispielsweise mittels Preispolitik die Gründung neuer Firmen erschweren oder mögliche Konkurrenten im frühen Stadium aufkaufen. Um diese Methoden zu unterbinden, ist eine zeitgemäße und wirksame Kartellpolitik nötig. „Ungleichheit nimmt bei ständigem technologischem Wandel also tendenziell zu, wenn die Politik nicht für faire Spielregeln sorgt“, folgt Mellacher.

Mehr Wettbewerb führt in der Regel zu höherer Produktvielfalt und niedrigeren Preisen. Dennoch haben auch demokratische Gesellschaften seit Jahrzehnten Schwierigkeiten mit einer steigenden Marktkonzentration. Warum das so ist, wollte Mellacher mit der dritten Simulation herausfinden. „Wenn einzelne Akteure besonders viel ökonomisches Gewicht haben, können diese auch mit Hilfe von Werbung beeinflussen, welche Informationen die Haushalte bekommen.“ Dieser Prozess konnte beispielsweise in der Tabak- oder der fossilen Industrie beobachtet werden und verlangsamt die demokratische Lösung gewisser Probleme. Wie diese Beispiele zeigen, haben Wissenschaftler:innen die besondere Aufgabe, als unabhängige Informationsquellen zu dienen. Auch neue Medien spielen eine Rolle: „In der Simulation habe ich den Firmen erlaubt, bestimmte Zielgruppen direkt anzusprechen, so wie es heute auf Social-Media-Kanälen möglich ist.“ Die Erkenntnis: „Soziale Medien können Desinformation noch zusätzlich verstärken und die Ungleichheit in der Gesellschaft erhöhen.“

Die Simulationen zeigen klar: Für mehr Fairness und weniger Ungleichheit braucht es daher einerseits laufende Weiterqualifizierung der Angestellten und klare gesetzliche Regeln für Unternehmen, um entweder genügend Wettbewerb zu ermöglichen oder zumindest die negativen Auswirkungen von Marktmacht deutlich zu reduzieren. Das gilt insbesondere für Social-Media-Anbieter.

Erstellt von Roman Vilgut

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