Medizinische Entscheidungen am Lebensende und die Frage nach dem guten Sterben sind seit mehreren Jahren regelmäßig Gegenstand medialer Debatten. Häufig erfolgt der Ruf nach einer stärkeren Berücksichtigung der Bedürfnisse und Wünsche des Patienten oder der Patientin, welche als individuelle autonome Entscheidungen begriffen werden. Daneben besteht ein zunehmendes Bemühen um eine Versorgung und pflegerische Betreuung, die für ein Sterben in Würde alle medizinischen Möglichkeiten ausschöpfen soll. Abseits dieses öffentlichen Diskurses im Spannungsfeld von Patientenautonomie und von medizinischer Fürsorge ist über die tatsächlichen Umstände des Sterbens und die Wünsche und Wertvorstellungen in der Bevölkerung wenig bekannt. Wer trifft tatsächlich Entscheidungen am Lebensende und unter welchen Rahmenbedingungen? Welche Rolle spielen Institutionen sowie gesellschaftliche, rechtliche und kulturelle Normen bei der Entscheidungsfindung am Lebensende?
Der wissenschaftliche Diskurs zwischen normativer und empirischer Forschung zum Thema Lebensende ist erst im Anfangsstadium. Die Tagung versucht daher eine fruchtbare Annäherung zwischen Forschungsansätzen und beteiligten Fächern, wie u.a. Medizinethik und Medizinsoziologie, anzuregen.
Daraus ergeben sich die zwei Anliegen der Tagung: Erstens sollen zentrale Fragestellungen sowohl unter einer normativen als auch unter einer empirischen Perspektive dargestellt und jeweils anschließend diskutiert werden. Zweitens erscheint es für ein vertieftes Verständnis der Problematik wichtig, dass neben der Analyse des konkreten Entscheidungsgeschehens am Lebensende und seiner Rationalität auch eine Reflexion über die Rolle des diesem Handeln zugrunde liegenden gesellschaftlichen und kulturellen Kontextes erfolgt.
Die Tagung gliedert sich in vier Themenblöcke, welche die Themen jeweils aus ethischer und empirischer Perspektive behandeln:
A. Widersprüchliche Rationalitäten für Entscheidungen am Lebensende im interkulturellen Kontext
B. Institutionalisierung der Sterbebegleitung als Teil des modernen Medizinsystems und Wohlfahrtsstaates
C. Autonomie am Lebensende - Normative Idee und Praktiken vor Ort
D. Fürsorge am Lebensende - Das Individualwohl im gesellschaftlich-ökonomischen Kontext