Es war unbequem, strapaziös und dauerte mitunter Wochen oder Monate: Das Reisen vor mehr als 200 Jahren bedeutete eher Pflichterfüllung denn Freizeitvergnügen. Vor allem gekrönte Häupter verbrachten nicht selten einen großen Teil ihrer Regentschaft auf den holprigen Routen quer durch den europäischen Kontinent. Wie und warum speziell die Angehörigen der Habsburger-Dynastie reisten, wie sie dabei Kontakte mit dem „einfachen Volk“ pflegten und welche Auswirkungen ihre Fahrten hatten, beleuchtet die Tagung „Habsburger unterwegs“ am 22. und 23. Oktober 2015 an der Karl-Franzens-Universität Graz.
Verträge schließen, Kriege führen, Hochzeiten beiwohnen: Europas HerrscherInnen hatten jahrhundertelang viele Gründe, weite und anstrengende Reisen zu unternehmen. Aber auch Ausflüge in die Provinz waren fixer Bestandteil der adeligen Terminkalender, erklärt Ao.Univ.-Prof.i.R. Dr.h.c.mult. Dr. Harald Heppner: „Als RegentIn musste man lokale Verhältnisse kennen und wissen, wie es um die Stimmung im Land bestellt war. Deshalb unternahmen auch Prinzen und Prinzessinnen schon sehr früh ausgedehnte Reisen ohne Pausen oder Privatsphäre – dafür aber mit einem gewaltigen Gefolge von mehreren hundert Personen in Schlepptau.“
Damit sich der riesige Tross annähernd im Zeitplan fortbewegen konnte, mussten infrastrukturelle Maßnahmen gesetzt sowie Unterkünfte umgebaut oder erweitert werden. Sogar Klöster wurden als Stationen höfischer Fahrten genutzt. Die Reisen der Mächtigen hatten daher sowohl persönliche Konsequenzen für die Untertanen – die zu diesen Zeiten die Herrschenden oft das einzige Mal in ihrem Leben persönlich sahen –,als auch wirtschaftliche Auswirkungen für die bereisten Regionen, schildert Heppner. Ao.Univ.-Prof. Dr. Marliese Raffler, Sprecherin des Doktoratsprogramms „Sammeln, Ordnen und Vermitteln. Wissenskulturen im 18. Jahrhundert“, das in enger Verbindung mit der Tagung steht, verweist in diesem Zusammenhang auf einige Graz-Bezüge: „Anlässlich der Reise zur Hochzeit Leopolds II. in Innsbruck im Jahr 1765 nahmen Kaiser Franz Stephan von Lothringen und Erzherzogin Maria Theresia mit ihrem Hofstaat im Schloss Eggenberg Logis. Für diesen Anlass musste nicht nur das Schloss adaptiert werden: Auch die Straßen wurden vorab saniert, neue Lampen aufgestellt und spezielle Theateraufführungen konzipiert.“
Die Tagung zeigt aber nicht nur die Eigenheiten sowie den Nachhall der Habsburger-Reisen auf, sondern auch deren Entwicklung: Denn während des 18. Jahrhunderts vollzog sich ein eindeutiger Wandel. Die pompösen Aufzüge des Barocks inklusive gigantischer Kosten wurden im frühen 19. Jahrhundert von „Inkognito-Fahrten“ abgelöst, die – losgelöst vom Zeremoniell – nahezu ohne „Bodyguards“ auskamen. Zu den „Globetrottern“ der Familie Habsburg, die am liebsten unbehelligt reisten, gehörten Josef II. und Erzherzog Johann, bestätigt Heppner: „Beide absentierten sich häufig vom Hof, wohl um der strengen Etikette zu entgehen oder, wie im Fall Josef II., um nicht allzu viel Zeit mit der eigenen Familie verbringen zu müssen.“ Im Rahmen der Tagung werden unter anderem auch die mediale Berichterstattung der Hofreisen sowie die dabei gespielte Begleitmusik unter die Lupe genommen.
Tagung: „Habsburger unterwegs. Reisen und ihre Auswirkungen im langen 18. Jahrhundert“
Zeit: Donnerstag, 22. Oktober, bis Freitag, 23. Oktober 2015, Eröffnung um 10:30 Uhr
Ort: Sitzungszimmer 15.21, RESOWI-Zentrum, Bauteil A/2, Universitätsstraße 15, 8010 Graz