Die Fundamentaltheologie sollte ursprünglich den christlichen Glauben gegenüber anderen religiösen Lehren und philosophischen Weltanschauungen verteidigen. „Heute ist dieser Teilbereich so etwas wie das Außenministerium der Theologie“, erklärt Univ.-Prof. DDr. Isabella Guanzini. Die Italienerin hat im Oktober 2016 die Nachfolge von Em.O.Univ.-Prof. Dr. Gerhard Larcher angetreten und widmet sich seitdem verschiedenen Forschungsfragen. „Unter anderem geht es darum zu verstehen, wie die religiöse Sprache in eine öffentliche übersetzt werden kann“, erklärt die Forscherin.
Firmen haben in ihrem Profil häufig eine „Mission“ festgeschrieben, Eltern „vergöttern“ ihre Kinder, und manche Vorfälle sind nicht ganz „koscher“: Zahlreiche Wörter oder Redewendungen mit religiösem Bezug haben im Lauf der Zeit eine Säkularisierung erfahren und sind fixe Bestandteile des alltäglichen Sprachgebrauchs geworden. Guanzini geht der Frage nach, in welchem Verhältnis diese theologischen Diskurse zur Öffentlichkeit stehen und wie man deren Grundlagen heute verstehen kann. Auch der Wirkung von allgemein sichtbar gemachten religiösen Symbolen geht die Forscherin nach. Wichtig sei bei diesen Analysen die Rationalität der Philosophie, unterstreicht die aus Cremona stammende Wissenschafterin, die in Mailand dieses Fach neben der Theologie studiert hat.
Guanzini lehrte Philosophie zehn Jahre lang in einer italienischen Pflichtschule und war auch Lektorin für Ästhetik an der Universität Mailand. 2009 begann sie, Philosophie und Theologie an der Katholischen Fakultät in Mailand zu lehren. 2012 landete sie, „mehr oder weniger zufällig“, wie sie heute sagt, in Wien. Nach ihrem Doktorat arbeitete sie an der Universität als Managerin einer interdisziplinären Forschungsplattform mit dem Titel „Religion and Transformation in Contemporary Society“. Neben ergiebiger Netzwerkarbeit bedeutete diese Aufgabe für Guanzini auch, „ins Deutsch-Lernen hineingeworfen zu werden.“ Heute spricht die Italienerin fließend Deutsch, auch wenn ihr die österreichischen Dialekte manchmal noch Schwierigkeiten bereiten. Als nächstes steht Arabisch auf dem Lernplan, denn die Forscherin möchte sich dem Islam wissenschaftlich nähern. Eine große Frage wird dabei zukünftig sein, ob der Koran auch für das Christentum als Offenbarungsbuch gelten kann. Den Schwerpunkt ihres Vorgängers Gerhard Larcher zu moderner und zeitgenössischer Kunst beziehungsweise Film möchte Guanzini ebenfalls weiter mittragen.
Zuvor aber veröffentlicht die Forscherin ihr neues Buch mit dem Titel „Zärtlichkeit. Die Revolution einer höflichen Macht“. Darin wirft sie Licht auf die lieblose Lebensweise von Menschen, die in Metropolen leben. „Wir leben in einer Gesellschaft der Müdigkeit: Ständig sind wir Leistungs- und Zeitdruck ausgesetzt. Als Folge davon fühlen wir uns ausgelaugt und nicht mehr fähig zu einem zärtlichen Umgang miteinander“, erklärt die Wissenschafterin. Die Konsequenzen für die jüngsten Leidtragenden dieser Entwicklung, die Kinder, hat Guanzini in ihrer Publikation besonders eingehend betrachtet. Das Buch ist erst kürzlich erschienen und bereits ausverkauft, eine zweite Auflage ist schon in Arbeit.