Was haben Schneckenfleisch und faule Birnen mit Pest und Lepra zu tun? Wie beeinflusste die arabische Ernährungslehre das deutsche Spätmittelalter? Und sind KöchInnen wirklich die besseren ÄrztInnen? "Rezepte waren damals mehr als einfache Handlungsanweisungen", betont Dr. Karin Kranich vom Institut für Germanistik der Karl-Franzens-Universität Graz. "Zwischen den Zeilen war medizinisches Alltagswissen versteckt, das heute erst Schritt für Schritt wiederentdeckt wird." Gemeinsam mit Priv.Doz. Dr. Andrea Hofmeister und Mag. Helmut Klug organisiert die Wissenschafterin von 20. bis 22. Juni 2013 eine Tagung, die das Verhältnis von Kulinarik und Diätetik in der Zeitspanne zwischen 1350 und 1650 beleuchtet.
Kochbücher des Mittelalters und der Frühen Neuzeit sind gleichzeitig auch als praxisorientierte Nachschlagewerke zu lesen, die viel Wissen voraussetzen, so Kranich: "Im Zentrum der mittelalterlichen, ganzheitlichen Gesundheitslehre stand die Vorbeugung von Krankheiten durch die alltägliche Ernährung." So war klar, dass Nahrungsmittel, die in verschiedene Gruppen unterteilt wurden, aufeinander abgestimmt werden mussten. "Das Ideal war das Gleichgewicht. Deshalb wurden wärmende Gewürze, wie zum Beispiel Ingwer, den winterlichen Backwerken beigefügt. Auch Milchreis ist eine klassische Kombination kalter und warmer Nahrungsmittel", bestätigt die Forscherin.
Im Zuge der Systematisierung des akademischen Wissens sowie der Technologisierung der Medizin sei dieses "Haushaltswissen" zum Zusammenhang von Ernährung und Gesundheit nach und nach verloren gegangen, werde aber heute wieder zum Thema, erklärt Kranich: "Zahllose Ratgeber und Diätprogramme propagieren eine ausgewogene Ernährung. Wir sehen uns an, wie diese im Mittelalter ausgesehen hat und was wir uns heute davon noch abschauen können."
Die öffentliche Fachtagung findet im Rahmen des Tages der Geisteswissenschaften 2013 an der Karl-Franzens-Universität Graz und in Kooperation mit dem Verein "KULIMA – Kulinarisches Mittelalter Graz" statt.
Tagung: "Der Koch ist der bessere Arzt". Zum Verhältnis von Kulinarik und Diätetik im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit
Zeit: Donnerstag, 20. Juni, bis Samstag, 22. Juni 2013
Ort: Gewi-Sitzungszimmer, Hauptgebäude, Universitätsplatz 3, 8010 Graz