Wenn BewohnerInnen einer Stadt aktiv in städtische Entwicklungsprozesse eingreifen, dann ist dies häufig auch mit künstlerischen Interventionen verknüpft. Welche Rollen die Kunst dabei einnehmen kann, ist Thema eines Buchs, das kürzlich im Grazer Theater im Bahnhof präsentiert wurde: „Die Kunst des urbanen Handelns / The Art of Urban Intervention“, herausgegeben von Judith Laister, Margarethe Makovec und Anton Lederer, ist ein Kooperationsprojekt des Zentrums für zeitgenössische Kunst <rotor>, des Instituts für Volkskunde und Kulturanthropologie der Uni Graz und der Steirischen Gesellschaft für Kulturpolitik.
Anhand von konkreten Beispielen urbanen Handelns befassen sich die 18 internationalen Beiträge, die in Deutsch und Englisch verfasst sind, mit Strategien, Ambivalenzen und Grenzen künstlerischer Intervention in der Stadt. Die AutorInnen kommen aus den Bereichen Kunst, Aktivismus, Architektur, Stadtplanung, Stadtforschung und Journalismus.
„Der erste Teil des Buchs umkreist das Grazer Annenviertel als konkreten Schauplatz städtischer Transformation mit Beiträgen aus Kunst, Politik und Aktivismus“, informiert Judith Laister vom Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie der Uni Graz. So schildern zum Beispiel die GründerInnen und BetreiberInnen des Kunstzentrums <rotor>, Margarethe Makovec und Anton Lederer, die Entstehung und Strategien ihrer Arbeit.
Anekdoten und humoristische Erzählungen, regionale Kuriositäten und lokale Originale vom Griesplatz-Pepi bis zum Fischhändler am Lendplatz finden sich im Tagebuch des Theater im Bahnhof, das seit 1996 im Annenviertel ansässig ist. Zu Wort kommen auch der Grazer Stadtbaudirektor Bertram Werle und Stadtteilmanagerin Simone Reis im Interview.
Der Historiker und Aktivist Leo Kühberger verweist in seinem Beitrag auf die Privilegierung von wirtschaftlich oder kulturell begünstigten Milieus und fordert das Recht auf Stadt für alle BewohnerInnen, etwa durch eine Demokratisierung der Stadtplanung und leistbaren Wohnraum.
Im zweiten Teil wird aufgezeigt, wie sich KünstlerInnen aus Mailand, Hamburg, Istanbul, Sofia, Ústí nad Labem, Rotterdam, Paris, London und Zagreb auf unterschiedliche Weise, meist in enger Kollaboration mit der lokalen Bevölkerung, Stadtraum aneignen, erkämpfen oder einfach nur gestalten.
Der dritte und letzte Teil bietet einen Querschnitt durch verschiedene stadt- und kulturtheoretische Diskurse zu Geschichte, Kontext und Fallstricken künstlerischen Agierens in der Stadt. Im Fokus steht dabei die Frage, welche Rolle den BewohnerInnen zukommt, wenn Stadt entwickelt wird und Kunst sich dabei einmischt. Warum beteiligen sich Menschen an urbanen Entwicklungsprozessen? Wer hat Zeit aktiv zu werden? Und welche neuen wissenschaftlichen Herausforderungen stellen sich angesichts des zunehmenden Ringens um städtischen Raum auf globaler wie lokaler Ebene?