Als sich vor rund 5,3 Millionen Jahren die Meeresstraße von Gibraltar öffnete, begann Wasser aus dem Mittelmeer in den Nordatlantik zu strömen – mit Folgen für das Klima des gesamten Planeten. Um die Geschichte des Ausstroms und seiner Auswirkungen zu erforschen, haben WissenschafterInnen aus 14 Ländern im Rahmen einer gemeinsamen Expedition im Golf von Cadiz und westlich von Portugal Bohrkerne aus dem Meeresboden entnommen und untersucht. Der Paläobiologe Dr. Patrick Grunert vom Institut für Erdwissenschaften der Uni Graz konnte anhand von Mikrofossilien das Alter der Sedimente bestimmen und so einen wichtigen Beitrag zur Rekonstruktion der Umweltbedingungen der Vergangenheit leisten. Die Ergebnisse der Expedition wurden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.
Insgesamt fünf Kilometer Bohrkernmaterial wurde während der Expedition 339 „Mediterranean Outflow“ mit dem Forschungsschiff „JOIDES Resolution“ von November 2011 bis Jänner 2012 rund um Gibraltar gewonnen. Die Ergebnisse der Untersuchungen förderten bedeutende neue Erkenntnisse über die Geschichte des Wasseraustausches zwischen Mittelmeer und Atlantik sowie den Zusammenhängen zwischen ozeanographischen, klimatischen und tektonischen Ereignissen zutage.
Nachdem das Mittelmeer mehrere hunderttausend Jahre vom Atlantik getrennt gewesen war, begann vor rund 5,3 Millionen Jahren durch die neuerliche Öffnung von Gibraltar Wasser in den Nordatlantik zu strömen. Heute fließt tief unter der Meeresoberfläche ein gewaltiger Strom. Da das Mittelmeerwasser salzhaltiger und damit schwerer ist, sinkt es bis zu einen Kilometer ab und gräbt tiefe Schneisen mit riesigen Aufschüttungen von Sedimenten in den Meeresboden. Diese Sedimente hat Patrick Grunert vom Institut für Erdwissenschaften der Uni Graz gemeinsam mit 35 WissenschafterInnen an Bord der „JOIDES Resolution“ unter die Lupe genommen.
„Die Untersuchung der Bohrkerne und der in ihnen enthaltenen Mikrofossilien zeigte, dass nach der Öffnung von Gibraltar der Mittelmeerausstrom anfänglich relativ schwach war, sich im späten Pliozän – vor rund 4,5 bis 4 Millionen Jahren – aber verstärkte“, berichtet Grunert. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf die Klimaentwicklung ziehen. „Die großen Mengen an salzreichem, wärmerem Wasser aus dem Mittelmeer kurbelten im Nordatlantik die thermohaline, also durch Unterschiede in Salzgehalt und Temperatur beeinflusste Zirkulation an: Das Mittelmeerwasser vermischt sich mit dem Oberflächenwasser des Atlantik, das nach Norden fließt. Durch Abkühlung und Verdunstung steigt der Salzgehalt, das Wasser wird schwerer, sinkt ab und fließt dann wieder nach Süden, bis in den Pazifik, wo es wieder aufsteigt und anschließend als warmes Oberflächenwasser nach Norden zurückfließt“, erklärt der Forscher.
Je mehr wärmeres Wasser aus dem Mittelmeer in den Atlantik und dort weiter nach Norden fließt, umso geringer wird der Temperaturunterschied zwischen Pol und Äquator. Nimmt die Differenz ab, wird es global wärmer. Solche Schwankungen gab es in der Vergangenheit mehrmals, so etwa im späten Pliozän vor rund 3 Mio. Jahren, während eines sogenannten Klimaoptimums, als es um zwei bis drei Grad Celsius wärmer war als heute. „In den Sedimenten, die wir untersucht haben, lässt sich die Geschichte des Mittelmeerausstroms ablesen und damit die Klimaentwicklung in Europa rekonstruieren“, fasst Patrick Grunert zusammen.
Derzeit widmet sich der Paläobiologe im Rahmen eines vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts unter der Leitung von O.Univ.-Prof. Dr. Werner Piller einer detaillierten Rekonstruktion der Öffnung der Meerenge von Gibraltar und des Mittelmeerausstroms während des Pliozäns.
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