Eine der größten Tragödien des ukrainischen Volkes ist der Holodomor von 1932/1933. Diese künstliche Hungersnot war Teil der anti-ukrainischen Politik der Sowjetunion. Die Bauern – die Träger des historischen Gedächtnisses und der ukrainischen Identität, die aktiven Gegner der Kollektivierung – sollten vernichtet werden. Dem Holodomor fielen Millionen von Menschen zum Opfer, die auf dem fruchtbarsten ukrainischen Schwarzboden lebten. Historiker haben die Zeugnisse der Überlebenden aufgezeichnet. Es sind schreckliche Geschichten über den Hungertod ganzer Familien. Leider ist einer der größten Völkermorde des 20. Jahrhunderts in der Welt immer noch wenig bekannt. Die sowjetischen Behörden taten alles, um zu verhindern, dass die Welt von ihrem Verbrechen erfuhr. Heute besteht die Russische Föderation – die Nachfolgerin der Sowjetunion – darauf, dass der Holodomor in der Ukraine nur eine durch Missernten verursachte Hungersnot war. Doch ukrainische Historiker finden immer wieder Dokumente, die mehr und mehr Details zu der Frage liefern, wer Millionen von Ukrainern verhungern ließ und wie es vor sich ging. Das historische Drama "Holodomor – Bittere Ernte" von George Mendeluk, einem kanadischen Regisseur ukrainischer Herkunft, ist einer der Versuche, dem europäischen Publikum die Wahrheit über den Holodomor zu vermitteln. Die Ereignisse des Films entfalten sich vor dem Hintergrund der Liebesgeschichte der Hauptfiguren – Juriy und Natalka. Als Juriys Verwandte und andere Dorfbewohner Opfer einer künstlichen Hungersnot und stalinistischer Repressionen werden, verlässt Juriy seine Geliebte, um Rache zu nehmen. Danach will er auswandern, um der Welt die Wahrheit über die Verbrechen der Sowjetmacht in der Ukraine zu sagen. Die Kritiker lobten die großartige Optik und die hervorragende schauspielerische Leistung des Films. Wenn man die Wahrheit über den Holodomor in der Ukraine 1932/1933 kennt, kann man die Gründe für den gegenwärtigen großen Krieg Russlands gegen die Ukraine besser verstehen. Tausende von Kilometern fruchtbaren ukrainischen Landes sind jetzt vermint und mit Kriegsgranaten übersät, Tausende von Ukrainern haben Probleme beim Zugang zu Lebensmitteln, Wasser, Strom und Gas. Und all dies ist die Folge der schrecklichen Entscheidung der Russischen Föderation, in das Gebiet der souveränen Ukraine einzudringen. In dem Bestreben, seinen Einfluss auf die Ukraine aufrechtzuerhalten, ihre Integration in den europäischen Raum zu begrenzen und sich ihrer Ressourcen zu bemächtigen, ist Russland in ukrainisches Land eingedrungen, was viele Opfer gefordert und die Gefahr einer neuen Hungersnot heraufbeschworen hat – jetzt nicht nur für die Ukraine, sondern auch für viele Länder auf der ganzen Welt, in die die Ukraine ihr Getreide geliefert hat. Vor dem Einmarsch der russischen Truppen im Februar 2022 versorgte die Ukraine rund 400 Millionen Menschen auf der Welt mit Lebensmitteln. Aktuell sind etwa 730.000 Menschen vom Hungertod bedroht. Die Zahl der Menschen, die von Ernährungsunsicherheit betroffen sind, wird um 25 Prozent steigen. Wir hoffen, dass Sie nach dem Ansehen des Films " Holodomor – Bittere Ernte " mehr über diese und andere tragische Seiten der ukrainischen Geschichte erfahren möchten. Und da Sie die Herausforderungen kennen, vor denen dieses große europäische Land aktuell steht, werden Sie nicht aufhören, es zu unterstützen.
Vortragende: Dr. Tetiana Belimova (Literaturwissenschaftlerin an der Nationalen Taras- Schewtschenko-Universität Kyjiw) und Prof. Wolfgnag Mueller (Institut für Osteuropäische Geschichte, Wien)
Ort: Alumini-Hörsaal der Hauptbibliothek Uni Graz / HS 62.01